Konzeption des Waldkindergartens Bad Kohlgrub

Geschichte

Der Waldkindergarten Bad Kohlgrub wurde 2003 von engagierten Eltern gegründet, die sich eine naturverbundene Betreuung für ihre Kinder wünschten. Jetzt musste nur noch zügig ein  Waldgrundstück gefunden werden. Dank der großzügigen und unglaublich spontanen Unterstützung durch Familie Keilmann konnte dies auch unerwartet schnell gefunden werden. Familie Keilmann stellte der Elterninitiative ein sehr schönes und geeignetes Waldgrundstück zur Verfügung, das sich als wahrer Glücksgriff erwies: abgeschieden und doch sehr gut erreichbar. So konnten im Mai 2003 die ersten fünf Kinder aufgenommen und von einer Erzieherin betreut werden. Bei sehr schlechtem Wetter musste zunächst eine zwischen Bäumen gespannte Plane als Regenschutz genügen. Im September, zu Beginn des Kindergartenjahres 2003/2004, kamen einige Kinder dazu und ein Bauwagen konnte als Schlechtwetterschutz bezogen werden. Mittlerweile steht ein beheizbarer Bauwagen zur Verfügung (was insbesondere im Winter von elementarer Wichtigkeit ist). Bei Sturm oder wenn der Wald aus anderen klimatischen Gründen nicht betreten werden kann, können wir uns in einen Schutzraum im Ortsteil Sonnen begeben.

Der Kindergarten ist inzwischen im Ort etabliert und es werden regelmäßig 15-18 Kinder im Kindergarten betreut. Seit September 2019 ist der Waldkindergarten ein staatlich anerkannter Kindergarten und arbeitet angelehnt an den „Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung“.

Elisabeth und Robert Keilmann mit Kindern des Kindergartenjahres 2021/2022

Trägerschaft und Elternmitarbeit

Der Waldkindergarten Bad Kohlgrub e.V. ist eine Elterninitiative in freier Trägerschaft und wird durch den gleichnamigen Verein betrieben. Sämtliche Entscheidungen, den Kindergarten betreffend, werden in Vereinssitzungen gefällt und gemeinsam getragen.
Zusätzlich werden Veranstaltungen von Eltern organisiert und durchgeführt: Binden und Verkauf von Frühlings- und Herbsttürkränzen im Rahmen eines Oster- bzw. Herbstcafes, Kinderfasching. Der Erlös dieser Veranstaltungen kommt dem Kindergarten zu Gute. Die Mitarbeit der Eltern ist erwünscht. Jeder kann und darf sich im Rahmen seiner zeitlichen Möglichkeiten und seines Talentes einbringen. Dies stärkt auch die Verbundenheit der Eltern mit dem Kindergarten und wirkt sich damit auch positiv auf das Zusammengehörigkeitsgefühl von Kindern, Eltern und pädagogischem Personal aus.

Konzept

Unser Konzept basiert auf der Grundlage skandinavischer Waldkindergärten. Die Kinder spielen fast ausschließlich in der Natur und in der Geborgenheit des heimatlichen Waldes. Dort können sie sich durch freies Spiel individuell nach ihren eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen entwickeln.

Leitgedanke

Alle Natur,
alles Wachstum,
aller Friede,
alles Gedeihen
und Schöne
in der Welt,
beruht auf Geduld,
braucht Zeit,
braucht Stille,
braucht Vertrauen

Hermann Hesse

Die größte pädagogische Herausforderung liegt im ’Beobachten’ der Kinder, dem Erkennen ihrer Bedürfnisse, ihrer Fähigkeiten und Talente. Somit kann eine entwicklungsbedingte, individuelle Förderung erfolgen, die den Kindern Zeit für ihren Bildungsprozess lässt. Kinder sollen nicht lernen, Kinder wollen lernen. Vermittlung von Werten geschieht durch Vorbild, Erfahrung und Einsicht, nicht durch Belehrung und Autorität. Die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen, gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit ist die Zielvorgabe. Ein weiteres wesentliches Ziel ist, dass die Kinder gerne in den Kindergarten kommen und den Lebensraum Wald als einen Ort der Freude erleben.
Die Kindergruppe ist klein, in der Regel besteht sie aus 15-18 Kindern. Dies erleichtert es dem pädagogischen Personal, jedes einzelne Kind gut zu kennen, es zu „sehen“. Denn jedes Kind will „gesehen“ werden. Die Kinder können so häufig auch die Zuwendung der Erzieher in Einzelsituationen, z.B. durch Gespräche, Vorlesen etc. erfahren. Es kann auf ihre Wünsche und Probleme eingegangen werden. Die Basis jedes erfolgreichen Lernens im Kindergarten liegt auch in einer guten Beziehung zum betreuenden Erzieher, die von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist.

Unser Kindergarten ist an keine Konfession gebunden. Wir feiern jedoch viele christliche und aus unserem Kulturkreis stammende Feste im Jahreskreis. Regelmäßig werden hierzu Lieder gelernt. Auch der Hintergrund einzelner Feste, z.B. Weihnachten, wird angesprochen und kindgerecht erklärt. Bräuchen aus fremden Kulturkreisen stehen wir offen gegenüber.

Soziale Erziehung

Die soziale Erziehung bildet einen pädagogischen Schwerpunkt in unserem Kindergarten. Da die Kinder den größten Teil des Kindergartentages im freien Spiel verbringen sind ihre sozialen Kompetenzen in hohem Maß gefordert. Sie gestalten gemeinsam das Leben in der Gruppe, sind aufeinander angewiesen. Lernen, dass durch gemeinsame Anstrengungen und Zusammenhalt, z.B. beim Bau eines Lagers, Ziele leichter zu erreichen sind. Die Kinder lernen Hilfsbereitschaft, Mitgefühl und Verantwortung zu übernehmen. Sie erleben sich als Gruppe und identifizieren sich mit ihr.

Sinnesschulung

Lernschwierigkeiten sind meist in einer Sinneswahrnehmungsstörung begründet. Der Lebensraum Wald bietet den optimalen Raum, um einer Wahrnehmungsstörung vorzubeugen. Er bietet eine stimulierende und reizvolle Umwelt. Körperlich-sinnliche Erfahrungen werden täglich gemacht. Das Rauschen des Waldes, der Gesang der Vögel, der Geruch des frisch gemähten Heus, das Gefühl bei der Berührung einer Baumrinde, der Rhythmus der Jahreszeiten, Kälte, Wärme. Der Wald bietet den Kindern eine Vielfalt an Sinneswahrnehmungen, was somit ihre Entwicklung begünstigt. Denn Kinder lernen viel mehr durch Sehen, Berühren und Erleben, als durch Belehrung.
Außerdem tut die Ruhe des Waldes den Kindern gut. Der Lärmpegel, der in geschlossenen Kindergartenräumen herrscht, stellt häufig Stress für die Kinder dar.

Kreativität und Phantasie

Der Wald regt die Kinder dazu an kreativ zu sein. Sie lernen mit den vorhandenen Naturmaterialien (z.B. Erde, Wasser, Stöcke, Zapfen, Rinden, Steine, Moos) phantasievoll zu spielen. Die Schätze des Waldes bieten den Kindern eine Vielzahl von Möglichkeiten gestalterisch tätig zu sein. Denn Kinder wollen gestalten, nicht gestaltet werden. Die Aufgabe der Erzieher ist es hierbei die Kinder in der Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen und ihre Werke wertzuschätzen. Neben den in Fülle vorhandenen Naturmaterialien genügen den Kindern zur Verfügung gestellte Werkzeuge (Hammer, Sägen, Schaufeln) um „erfolgreich“ zu spielen. Der Kindergarten verfügt über wenig vorgefertigtes Spielmaterial und wirkt somit auch einer Reizüberflutung entgegen.

Bewegungserziehung

Bewegungsmangel kann zu Verhaltensauffälligkeiten, Übergewicht und Haltungsschäden führen. Der Waldkindergarten wirkt dem entgegen. Der natürliche Bewegungsdrang des Kindes kann ausgelebt werden. Vielfältige körperliche Aktivitäten, wie auf Bäume klettern, Balancieren, Rennen, Toben, Hüpfen tragen zur optimalen Entwicklung der Grobmotorik bei. All diese Bewegungen führen auch zu neuen Verknüpfungen in der Hirnstruktur und begünstigen somit die kognitive Entwicklung des Kindes in hohem Maße. Zudem werden die Kinder von den Erziehern ermutigt, sich auszuprobieren, an ihre Grenzen zu gehen und sich somit selbst zu erfahren (solange dabei ihre Sicherheit nicht gefährdet ist). An sich selbst gestellte Anforderungen, die erfolgreich bewältigt werden konnten, tragen erheblich zu einem guten Selbstbewusstsein bei.

Umwelterziehung

Die Erhaltung und Bewahrung unserer Erde ist vordringliche Aufgabe unserer Generation und darauf folgender Generationen. Der Waldkindergarten kann in der Erziehung der ihm anvertrauten Kinder einen Teil dazu beitragen. Denn im Waldkindergarten wird es den Kindern ermöglicht, das Werden und Vergehen im Jahreskreis erleben zu dürfen, auf Bäume zu klettern oder Bäche aufzustauen und so dass ein emotionaler Bezug zur Natur gelingt. In der dabei gewonnenen Wertschätzung wird die Grundlage gelegt sich für die Erhaltung der Natur und des ökologischen Gleichgewichtes einzusetzen. Das pädagogische Personal setzt hier Impulse, um die Kinder zum eigenverantwortlichen Denken und Handeln anzuregen.

Mitbestimmung, Partizipation

Die Mitbestimmung der Kinder im Kindergarten nimmt großen Raum ein. Die Kinder dürfen an den allermeisten Kindergartentagen selbst bestimmen, wie sie ihren Vormittag verbringen wollen. Sie dürfen entscheiden, was und mit wem sie spielen wollen, welche Plätze sie zum Spielen wählen (am Bach, rund um den Bauwagen, im „Zwergenhaus“). Sie dürfen entscheiden, ob sie Bastelangebote der Erzieher annehmen wollen oder doch lieber dem selbst bestimmten Spiel den Vorzug geben wollen. Im Morgenkreis, im Rahmen der gemeinsamen Brotzeit oder im Abschlusskreis wird ihnen Gelegenheit gegeben ihre Anliegen, Wünsche und Meinungen einzubringen. Dabei erfahren sie auch, dass ihre Meinungen wertgeschätzt werden. Zudem bekommen sie einen ersten Einblick wie Demokratie funktioniert.

Sprache

Motivation ist immer die am besten funktionierende Grundlage für Lernerfolg. Im gemeinsamen Spiel erleben die Kinder, dass ihre Bedürfnisse am besten befriedigt werden, wenn sie fähig sind diese sprachlich auszudrücken. Sie sind hierbei gefordert, ganz unbewusst ihren Wortschatz täglich zu erweitern. Die Erzieher ermuntern die Kinder die Sprache als Werkzeug zur Verständigung einzusetzen und sie auch bevorzugt bei der Konfliktlösung zu verwenden.
Das Erlernen von Liedern, bzw. der Umgang mit Rhythmus, Texten und Musik fördert in hervorragender Weise die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation.

Tagesablauf

Der Kindergartenvormittag beginnt um 8.15 Uhr mit einem Morgenkreis. Das pädagogische Personal legt großen Wert darauf, dass der Kindergartentag gemeinsam begonnen werden kann. Im Morgenkreis wird meist ein Spiel gespielt oder ein Lied gesungen. Ebenso werden aktuelle Themen angesprochen, wie z.B. Erntedank, die Rückkehr der Vögel im Frühling oder der Tod eines Tieres. Anschließend wird der Ablauf des kommenden Kindergartentages thematisiert. Die Kinder können entscheiden, ob sie auf direktem Weg zum Bauwagen gehen wollen oder evtl. den Umweg über den „Wurzelweg“ nehmen wollen. Manchmal wird entschieden den Vormittag an einem ganz anderen Platz in dem großen Abenteuerspielplatz Wald zu verbringen.
Meist wird jedoch der Vormittag in der Nähe des Bauwagens verbracht. Die Kinder verbringen ihre Zeit im Freispiel, bauen Lager, „kochen“ in der Kochhütte oder finden unzählige andere phantasievolle Beschäftigungen.
Der Bauwagen dient als Ort zum Aufwärmen, zur Trocknung von Kleidung und als Materiallager, ist aber kein ständiger Aufenthaltsort für die Kinder.
Gegen 10 Uhr ist Brotzeitmachen angesagt. Die Kinder dürfen wählen, ob sie alle gemeinsam Brotzeit machen wollen oder ob sie die „Lagerbrotzeit“ (Brotzeitmachen in kleinen Gruppen an verschiedenen Plätzen) bevorzugen. Die Erzieher achten darauf, dass zumindest 1-2x wöchentlich gemeinsam Brotzeit gemacht wird, um das Gruppengefühl zu stärken und um mit allen Kindern in einen Austausch zu gelangen. Nach der Brotzeit wird von den Erziehern darauf geachtet, dass jedes Kind selbstständig seine Brotzeitdosen zurück in den Rucksack räumt.
Anschließend dürfen die Kinder ihre Spiele weiterführen oder sind eingeladen freiwillig an gezielten Angeboten teilzunehmen

  • Basteln mit verschiedenen Materialien: Holz, Wolle, Farben, Papier, Schere
  • Jahreszeitlich bedingte Angebote: Pflanzen bzw. Ernten von Kartoffeln, Mehl mahlen, Plätzchenteig herstellen, Plätzchen ausstechen

Insbesondere bei jahreszeitlich bedingten Angeboten bemühen sich die Erzieher intensiv die Kinder zur Teilnahme zu motivieren. Angebote, die der Vorbereitung einer bestimmte Veranstaltung (z.B. Muttertag, Vatertag, Weihnachten, Ostern, Sommerfest) dienen, sollen von allen Kindern wahrgenommen werden.

Gegen Ende des Kindergartentags sind die Kinder angehalten ihre verwendeten Werkzeuge und Bastelmaterialien aufzuräumen. Der Abschlusskreis findet zwischen 12 und 12.30 Uhr statt und wird genutzt, wenn nötig die vergangenen Stunden noch einmal durchzusprechen, bzw. Konflikte und Probleme anzusprechen, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen bzw. gemeinsam zu erarbeiten. Häufig wird im Rahmen des Abschlusskreises ein Lied für bevorstehende Veranstaltungen gelernt.
Mit einem Zählritual verabschieden wir uns voneinander.

Vorschule

Der Waldkindergarten spricht sich gegen eine „Verschulung“ von Kindertagesstätten aus. Um jedoch einen möglichst reibungslosen Eintritt in die Grundschule zu ermöglichen, bieten wir unseren Vorschulkindern 1x wöchentlich ein speziell auf sie zugeschnittenes Vorschulprogramm an. Inhalte dieser „Vorschule“ sind in erster Linie eine Hinführung in die Welt der Zahlen, der Buchstaben und der geometrischen Formen. Ebenso werden feinmotorische Übungen gemacht.

Wir hoffen, dass Ihnen das hier vorgelegte Konzept zusagt. Falls Sie in Erwägung ziehen, uns ihr Kind während seiner Kindergartenzeit anzuvertrauen, sind Sie und ihr Kind herzlich, nach vorheriger Terminvereinbarung, eingeladen bei uns im Wald vorbei zu schauen, um unsere Einrichtung noch besser kennen zu lernen.